Stillen ist viel mehr als nur Nahrung
Der Vergleich zwischen Brust und Flasche ist in der Öffentlichkeit meistens ein ziemlich emotionales Thema.
Es wird gemessen, wie viel rauskommt, wieviele Kalorien drin sind, welche Vor- und Nachteile es gibt.
Viele Frauen haben das Gefühl, egal ob sie stillen oder Säuglingsnahrung geben, dass sie immer etwas falsch machen.
Nicht erwähnt wird meistens, dass Stillen viel mehr ist, als nur Nahrungsaufnahme.
Das ist nur ein Aspekt.
Klar ein wichtiger für Babys Wachstum, aber eben nur einer unter vielen anderen.
Anders als die Flasche, besitzt eine Brust keine Skala, um nachzuprüfen, wieviel das Kind getrunken hat.
Sie sind hier auf andere Hinweise angewiesen, z. B. die Zufriedenheit Ihres Kindes, seine Lebhaftigkeit oder die Menge der nassen Windeln/Stuhlwindeln pro Tag, wenn nicht ständig das Gewicht kontrolliert wird.
Das kann dazu führen, dass Sie verunsichert sind, insbesondere, wenn das Baby am Anfang vielleicht nicht gut zugenommen hat.
Genau hier liegt aber auch eine Chance:
Vertrauen lernen.
In Ihre eigenen Fähigkeiten und in die von Ihrem Baby.
An der Brust lassen sich so ziemlich alle Bedürfnisse des Babys erfüllen.
Zumindest ist das dort am einfachsten zu verwirklichen, denn es geht auch anders:
- Urvertrauen
- Hautkontakt
- Nähe
- Wärme
- Geruch
- Geschmack
- Gefühl
- Augenkontakt
- Nahrung
- uvm.
Um es mal deutlich zu sagen, damit keine Missverständnisse auftreten:
jede Mutter macht es so gut wie sie nur kann.
Egal, ob sie stillt oder nicht. Natürlich ist die Befriedigung der Bedürfnisse eines Babys auch ohne Brust möglich, aber das ist mit einem höheren Aufwand und einem entsprechenden Bewusstsein dafür verbunden.
Versuch von Bowlby
In den 50ger Jahren des letzten Jahrhunderts gab es einen Versuch von John Bowlby (dem Bindungsforscher) mit Rhesusaffen.
Dazu konstruierte er zwei Drahtaffenmütter.
Die eine gab aus in Brusthöhe angebrachten Flaschen Milch, die andere war mit Plüsch bezogen und heizbar.
Die Affenbabys waren für diesen Versuch von ihren Müttern getrennt worden.
Raten Sie mal, was geschah.
Die zu Grunde liegende Annahme war damals, dass die kleinen Affen sich zur Nahrungsquelle hin orientieren würden.
Aber nein, vielmehr war es so, dass die Äffchen an der warmen Mutter hingen und nur zur Nahrungsaufnahme zu der Drahtmutter hinüberhuschten und so schnell wie möglich zurückkehrten.
Dieser Versuch hat widerlegt, dass Nahrung die oberste Priorität der Affenbabys war.
Sondern Wärme, Nähe und Kontakt. Würde man Ihr Baby fragen, würde es wahrscheinlich in diesem Sinne antworten.
Der langen Rede kurzer Sinn:
Stillen lässt sich nicht auf die Nahrungsaufnahme reduzieren, sondern ist sehr viel mehr für Ihr Baby/Kind.
Aber auch für Sie.
Nur so lässt sich erklären, warum viele Mütter, so wie vielleicht auch Sie, z. T. heftige Schmerzen und andere Entbehrungen auf sich nehmen, nur um weiter stillen können.
Selbst für Ihren Partner/Familie ist das nicht immer leicht nachvollziehbar, wenn sie helfen wollen, Ihr Leid zu lindern.
Ebenso traurig sind Frauen, die nicht voll oder gar nicht stillen können, obwohl sie das wollen.
Manchmal kann es deshalb eine gute Idee sein, dem Baby an der Brust Nahrung anzubieten.
Stillen bzw. Muttermilch hat außerdem enorme gesundheitliche Vorteile für Sie und Ihr Kind. Dazu finden Sie hier weitere Information.
Stillen macht auch noch in anderer Hinsicht etwas mit Ihnen.
Es stärkt Ihren Selbstwert.
Vielleicht finden Sie, dass es kitschig klingt, wenn ich sage, dass Stillen eine Ermächtigung von Frauen bedeutet.
Das nehme ich gern in Kauf.
Möglicherweise sind Sie auch schon problemerprobt und haben sich durch einige Schwierigkeiten durchgebissen.
Und sind stärker geworden dadurch.
Das Gefühl, das Baby mit dem eigenen Körper komplett versorgen zu können, kann sehr, sehr machtvoll sein.
Es vertieft Ihr Vertrauen in Ihren eigenen Körper.
Und noch ein letzter Punkt ist wichtig.
Wenn Sie Ihr Baby stillen, bauen Sie ganz nebenbei eine sehr enge Beziehung und Bindung auf.
Auf diese Weise trägt Stillen zur Gewaltprävention bei. Ja, Tatsache, gestillte Kinder erfahren weniger Gewalt.
Das ist eine überwältigende Liste.
Sie macht den tiefen Schmerz verständlich, den vielleicht Sie empfinden, weil es mit dem Stillen nur teilweise oder gar nicht klappt oder geklappt hat.